Obwohl, insbesondere in der Vergangenheit, viele medikamentöse Therapien zur Behandlung der Einschränkungen der männlichen Fruchtbarkeit eingesetzt worden sind, erfüllen nur wenige den Anspruch, dass sie im Sinne einer rationalen Therapie einen bestehenden Hormonmangel ausgleichen oder die Ursache der Fruchtbarkeitstörung beheben. Gemeinsam ist diesen rationalen Therapien, dass durch die Behebung der zugrundeliegenden Ursache meist eine drastische Verbesserung der Fruchtbarkeit eintritt und diese Therapien für die Behandlungsindikation eine Zulassung besitzen.
Da keines der im Folgenden besprochen Medikamente/Nahrungsergänzungsmittel eine Zulassung der Krankenkassen für die Behandlung der männlichen Fruchtbarkeitsstörungen besitzt, erfolgt die Therapie immer im Rahmen eines individuellen Heilversuchs. Dies bedeutet, dass die Krankenkassen sich an den Kosten nicht beteiligen und die Kosten von Ihnen selber übernommen werden müssen.
Wie bei den Beeinträchtigungen der Hodensteuerung wurde bereits sehr früh versucht auch bei Männern ohne diese Beeinträchtigung der Hodensteuerung, mittels einer GnRH oder kombinierten Therapie mit FSH (hMG) und hCG eine Verbesserung der Spermienbildung zu erreichen.
Da es sich zudem um eine sehr teure Behandlungsoption handelt, ist aufgrund des fehlenden Wirkungsnachweises eine Behandlung mit GnRH oder einer kombinierten Therapie mit FSH (hMG) und hCG bei Patienten ohne eine Beeinträchtigung der Hodensteuerung nicht empfehlenswert.
Ergänzende Studien
Ergänzende StudienErgänzende Studien zeigen jedoch auch, dass es auf Basis der feingeweblichen Untersuchung des Hodengewebes aber weiterhin möglich erscheint, dass einige Patienten dennoch von einer FSH-Therapie profitieren. Dies würde jedoch vor dem Therapiestart eine operative Gewebegewinnung aus dem Hoden voraussetzen, die wir nicht empfehlen. Andere diagnostische Möglichkeiten diese Subgruppe zu identifizieren bestehen leider nicht, so dass wir angesichts der sehr hohen Kosten der Therapie und der sehr mäßigen allgemeinen Erfolgschancen eine FSH-Therapie in der bisherigen Form nicht gerechtfertigt erscheint. Das männliche Sexualhormon Testosteron ist ein wichtiger Kofaktor der Spermienbildung (siehe auchSpermienbildung und Transport). Es verwundert daher nicht, dass Testosteron als erstes Medikament überhaupt in der Vergangenheit zur Therapie der männlichen Fruchtbarkeitsstörungen eingesetzt wurde.
Qualitativ hochwertige Studien in den vergangenen Jahren konnten nicht in einer einzigen Studie einen Vorteil einer Testosteron Behandlung gegenüber der Behandlung mit einem Scheinmedikament (Placebo) zeigen.
Die Gabe von Antiöstrogenen (=anti-weibliche Hormone) bewirkt beim Mann eine Erhöhung der Ausschüttung von FSH und LH aus der Hirnanhangsdrüse und führt so zu einer Erhöhung der Testosteronspiegel im Blut. Inzwischen gibt es eine Reihe von qualitativ hochwertigen Studien mit den Antiöstrogenen Clomifen und Tamoxifen zur Therapie der männlichen Fruchtbarkeit. Analysiert man alle Studien zusammen, ergibt sich insgesamt eine um den Faktor 2,5 höhere Schwangerschaftsrate in der Behandlungsgruppe mit den Antiöstrogenen im Vergleich zur Placebo Medikation. Ursächlich hierfür ist eine nahezu Verdopplung der Spermienwerte, welche insbesondere die Spermienkonzentration aber auch die Spermienbeweglichkeit und den Anteil der normalgeformten Spermien betrifft. Auch im Anbetracht der geringen Kosten (ca. 12 € monatlich) sind die Antiöstrogene eine interessante Behandlungsoption. Zusammenfassend scheint aufgrund der heutigen Studienlage eine vorsichtige Empfehlung der Therapie mit Antiöstrogenen bei Männern mit nicht zu schweren Fertilitätsstörungen analog den therapeutischen Grundsätzen für Behandlungen im Rahmen eines individuellen Heilversuches gerechtfertigt.
Seit Jahren werden Antioxidantien wie einige Vitamine (Vitamin C und Vitamin E) und Nahrungsergänzungsmittel zur Behandlung von Störungen der Spermien durch oxidativen Stress auf der Basis kleinerer Studien eingesetzt. Grundsätzlich können diese Vitamine und Nahrungsergänzungsmittel nur wenig Einfluss auf die hormonell gesteuerte Spermienbildung, sondern auf die Spermienfunktion und vor allem die Spermienbeweglichkeit ausüben. Von den für die Beurteilung einer Wirksamkeit notwendigen großen randomisierten Studien sind 2020 inzwischen eine große (Steiner et al. 2020) bzw. sehr große (Schisterman et al. 2020) Multicenter Studien mit einer Folsäure/Zink Kombination oder einem komplexeren Kombinationspräparat aus Vitamin C, Vitamin E, Selenium, L-Carnitin, Zink, Folsäure und Lycopen) veröffentlicht worden. In keiner dieser beiden großen Studien zeigte sich ein Wirksamkeit der Behandlung mit Antioxidantien gegenüber Placebo hinsichtlich der Spermienkonzentration, -beweglichkeit und Anteil der normal geformten Spermien, DNA Fragmentation, dem klinischen Schwangerschaftsraten oder Lebendgeburtsraten.
Grundsätzlich erscheinen abschwellende Medikamenten, welche eingesetzt werden, um die Durchgängigkeit der Samenleiter zu verbessern, für die Therapie von Störungen des Spermientransports interessant. Die Quantität und Qualität der Studien ist aber für einen Wirksamkeitsnachweis völlig unzureichend. Neben den oben genannten Wirkstoffgruppen gibt es eine Reihe von weiteren Substanzen, welche zur Behandlung männlicher Fruchtbarkeitstörungen eingesetzt worden sind. Zu nennen sind hier vor allen Bromocriptin, Kinin, Zinksalze, Angiotensin-Converting-Enzyme (ACE)-Hemmer, Pentoxyphyllin, a-Rezeptorenblocker und Kallikrein sowie der Einsatz von Kortison bei Männern mit erhöhten Antikörpern gegen die eigenen Spermien. Für alle dieser Substanzen gilt, dass entweder keine qualitativ hochwertigen Studien existieren oder hochwertige Studien bisher keine Effektivität zeigen konnten. Zusammenfassend sollten diese Substanzen daher nur im Rahmen von klinischen Studien eingesetzt werden.